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Tourenberichte, Gedanken und anderes sentimentales Gefasel

Hüttentour im Virgental: Tagesetappe 5


Badener Hütte über Löbbentörl zur Neuen Prager Hütte



Nach einer sehr erholsamen Nacht und einem tollen Frühstücksbuffet stehen wir um 7.45 Uhr wieder vor der Badener Hütte. Nachts hat es minimal geschneit und die Wolkendecke hängt nur knapp über unseren Köpfen. Der Gletscher hinter der Hütte ist kaum zu sehen, doch dort, wo sich unter dem Geröll noch Eis befindet, ist der Schnee liegengeblieben. Deshalb lässt sich jetzt gut erkennen, dass der Gletscher durchaus weiter ins Tal reicht, als es noch gestern den Anschein machte. Trotzdem ist das nur noch ein kläglicher Rest dessen, was hier mal gelegen haben muss.

Blick am Morgen von der Badener Hütte Richtung Gletscher

Es schneit noch immer ein wenig, also ziehen wir uns warm an. Da wir in den kommenden ca. 2 Stunden noch ein paar Höhenmeter machen werden, müssen wir davon ausgehen, dass es zumindest nicht wärmer werden wird. Der Weg ist gut zu gehen. Einige Stellen sind etwas herausfordernder, weil der feine Schnee und die Feuchtigkeit den Fels etwas rutschiger macht. Deshalb nehmen wir an den vereinzelten stufigen Stellen die Hände zu Hilfe.

Der Steig unterhalb vom Keespölach

Die Aussicht ist einigermaßen eingeschränkt. Über dem gesamten Tal liegen unterschiedlich dichte Nebelfelder und da wir permanent am recht steilen Hang gehen, ist auch die Sicht nach oben ziemlich öde - trübe Suppe, links von uns Fels. Trotzdem macht dieser Teil irgendwie Spaß, was vielleicht an den kurzen versicherten Wegstücken liegt.

Katrin beim Anlegen des Klettersteigssets für die folgenden seilversicherten Passagen

Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir eine seilversicherte Passage, die an sich nicht sehr schwer ist. Aufgrund der Witterung und des Untergrunds entschließen wir uns trotzdem die Klettersteigsets zu benutzen. Rechts neben dem Steig geht es gute 200 Meter mit ordentlichem Gefälle abwärts und auch danach dauert es, bis wieder flacheres Gelände käme. Lieber nichts riskieren.

Eine der Seilversicherungen eine halbe Stunde später

Das ist übrigens eine Regel, die wir für uns schon sehr früh festgelegt haben: Sobald einer von uns das Gefühl haben sollte, einer Situation nicht gewachsen zu sein, dann lassen wir es.

Hier fühlt sich aber alles gut an und wir erreichen zwei Stunden nach unserem Aufbruch das Löbbentörl und den Übergang ins Tauerntal bzw. Gschlösstal. Schon als wir die letzten Meter zur Scharte emporsteigen, merken wir, dass sich auf der anderen Seite deutlich mehr Wolken stauen. Deshalb können wir auch zunächst so gut wie nichts von den umliegenden Gletschern links sehen.

Außerdem liegt auf der anderen Seite sichtlich mehr Schnee, was die ersten Minuten des Abstiegs etwas herausfordernder macht, als erwartet. Es ist rutschig und durch die fingerfreien Klettersteighandschuhe, sind unsere Flossen bald ziemlich eisig.

Am Löbbentörl mit Blick Richtung Löbbenkopf, der irgendwo im Dunst liegt.

An einem Punkt verlieren wir durch den Schnee die Wegmarkierungen aus den Augen, weshalb wir alten Fußspuren folgen und uns bald in einer Senke wiederfinden, die laut Karte hier nicht sein sollte, und mitten in einem Schneefeld stehen. Rings um uns ist nur Dunst und uns fehlen Orientierungspunkte. Der Blick auf die Karte und unsere Uhren sagt uns dann, dass wir uns etwa 20 Meter unterhalb des eigentlichen Weges befinden, den wir aber aufgrund des Wetters nicht sehen können.

Immerhin erkennen wir irgendwann, dass wir am anderen Ende des Schneefelds lediglich ein Stück aufsteigen müssten, um wieder auf den Weg zu treffen. Den können wir aber noch immer nicht sehen. Also folgen wir den Spuren durchs Schneefeld und beginnen auf der anderen Seite, die großen Felsblöcke hinaufzukraxeln. Irgendwann stoßen wir auf die erste rot-weiße Wegmarkierung und wir sind wieder dort, wo wir sein sollten.

Danach führt uns die Route auf die alte Seitenmoräne vom Schlatenkees von 1850, die hier in einem großen Bogen talabwärts führt. Den Gletscher, der diese Schuttablagerungen hier vor knapp 200 Jahren zur Seite geschoben hat, seht ihr übrigens im Beitragsbild links.

Das Auge Gottes kurz vor der Steilstufe hinab ins Gschlösstal

Der Steig führt über ebendiese Moräne bis zum Auge Gottes, einem kleinen See, der sich zwischen der alten Seitenmoräne und einer etwas jüngeren aus einem Gletschervorstoß danach gebildet hat.

Im Hintergrund: die Gletscherzunge vom Schlatenkees, der "Gipfel" oben links der Bildmitte: die alte Seitenmoräne von 1850.

Anschließend steigen wir hinab in den Bereich, wo früher der Gletscher gelegen und nach seinem Rückzug eine rundgeschliffene Landschaft hinterlassen hat. Normalerweise könnte man von hier aus das gesamte Venedigermassiv sehen, dass wir vor wenigen Tagen von der anderen Seite bei bestem Wetter fotografieren konnten. Heute hängt die Wolkendecke so tief, dass wir nur den unteren Teil der Gletscherzunge erkennen.

Die Brücke über den Gletscherbach - vor 30 Jahren endete hier noch die Gletscherzunge

Bevor wir den Gegenhang wieder aufsteigen, werfen wir einen Blick auf den Bereich, an dem die beiden Gletscherzungen aufeinandertreffen. Mit ihrem dunklen Schutt sieht der linke Teil gar nicht wie ein Gletscher aus, aber wie auch beim Gletscher hinter der Badener Hütte befindet sich darunter Eis. Das ist auch der Teil, der noch ein paar Meter weiter abwärts reicht als der unbedeckte Teil, weil er hier etwas besser vor der Sonneneinstrahlung geschützt ist.

Heute, drei Jahre später, sind übrigens beide Zungen im unteren Teil komplett eingefallen und es würde uns nicht wundern, wenn sie den Kontakt zueinander bald verlieren würden. Schon als wir 2018 hier waren, machten sich erste Anzeichen bemerkbar, dass die Zungen an einigen Stellen einstürzen würden. 2019 war das schon deutlicher erkennbar und aktuelle Aufnahmen lassen vermuten, dass da kaum noch Eismasse vorhanden ist und insbesondere die unbedeckte Gletscherzunge den Kontakt zum eigentlichen Gletscher weiter oben bald verlieren wird.

Auf dem Gletscherweg mit Blick auf den Bereich, wo die beiden Gletscherzungen aufeinandertreffen

Nun folgt der Aufstieg zur Neuen Prager Hütte, der uns an der alten Prager Hütte vorbeiführt. Diese dient mittlerweile als Museum, in dem alles so eingerichtet wurde, wie es vor 100 Jahren in Schutzhütten noch war. Manche Schlaflager sehen auch heute noch so aus wie damals.

Die Alte Prager Hütte

Von hier aus sind es noch rund 300 Höhenmeter bis zur Neuen Prager Hütte. Hin und wieder verzieht sich ein Teil der Wolken und der Großvenediger lässt sich doch kurz blicken, um dann sehr schnell wieder im Nebel zu verschwinden. Gegen 15.30 Uhr erreichen wir die Neue Prager Hütte und treffen dort zum ersten mal auf die anderen Mitglieder unserer Gletscher- und Gipfeltour zum Großvenediger am Folgetag.

Hier erfahren wir dann auch von der Hüttenwirtin, dass der Bergführer versucht hat uns zu erreichen, um die Tour für morgen abzusagen. Wir rufen ihn von unserem Schlaflager aus an. Die Gründe sind nachvollziehbar. Für die kommenden Tage ist ähnliches Wetter wie heute angesagt, was die Begehung des Gletschers zum einen ziemlich langweilig macht, weil man nichts sieht, und aus demselben Grund sehr gefährlich. Da es kurz vor dem Großvenediger einen Grat entlang geht, ist die Absage der Tour für uns und die übrige Gruppe, die wir ein paar Wochen vor der geplanten Tour über Social Media für die Venedigerüberschreitung begeistern konnten, natürlich sehr schade, aber dem Wetter muss man sich beugen.

Fittatensuppe auf der Neuen Prager Hütte

Wir machen das Beste draus, lassen es uns bei Frittatensuppe und reichlich Getränken im vom Kaminfeuer aufgewärmten Gastraum mit den anderen gutgehen und fallen einige Zeit spät erledigt ins Bett.

Morgen dann also eine alternative Route.


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